Langzeitstudien bieten die Möglichkeit nach Prädiktoren der Legasthenie im Kindergartenalter zu suchen, die eine spätere Legastheniesymptomatik im Grundschulalter vorhersagen. Eine entsprechende Studie haben die französischen Wissenschaftler um Costa durchgeführt. Sie untersuchten an Kindern im Kindergartenalter mehrere Faktoren, die mit einer Legasthenie
in Zusammenhang stehen und erhoben dann noch einmal bei den selben Schülern die Leserfertigkeit in der fünften Klasse.
Zur Verfügung standen schließlich die Daten von 150 Kindern aus ihrer Vorschulzeit und der Lesefertigkeit in der fünften Klasse. Während der Vorschule, wurde der Bildungsgrad der Eltern und mögliche Leseprobleme der Eltern erhoben. Bei den Kindern wurde mit Hilfe des BSEDS-Tests verschiedene Lesevorläuferfertigkeiten wie Buchstabenwissen, Textverständnis, Reimidentifizierung, Silbendeletation (weglassen von Silben) und Bestimmung der Silbenanzahl erhoben. In der fünften Klasse wurde der Aloutte Lesetest und die ODYEDYS -Testbatterie durchgeführt, die mehrere spezifische Lese- und Rechtschreibtests beinhaltet. Beide Tests werden in Frankreich auch für die LRS-Diagnostik verwendet.
Weiterhin wurde ein Lehrerfragebogen im Kindergarten und in der fünften Klasse durchgeführt, der Verhaltensprobleme bei den Schülern erhob. Insgesamt wurden vier Faktoren gemessen, nämlich Hyperaktivität, Unaufmerksamkeit, Störung des Sozialverhaltens (dissoziales, aggressives, aufsässiges Verhalten) und unsoziales Verhalten.
Der Einfluss der verschiedenen Faktoren auf die Lesefertigkeiten in der fünften Klasse wurden mit Hilfe einer Regressionsanalyse überprüft. Weiterhin berechneten Costa et al. aber auch einige Korrelationen. So zeigten sich korrelative Zusammenhänge zwischen Silbendelation (r=.30), Textverständnis (r=.24) und Buchstabenwissen (r=.31) und dem Lesen in der fünften Klasse. Weiterhin korrelierten Leseschwierigkeiten innerhalb der Familie mit den Leseschwierigkeiten in der fünften Klasse (r=.26). Keine Korrelation zeigte sich zwischen den Verhaltensproblemen im Kindergartenalter und der Lesefertigkeit in der fünften Klasse. Einzig und allein der Faktor Unaufmerksamkeit, gemessen in der fünften Klasse, zeigte einen Zusammenhang von r=.34 mit dem Lesen in der fünften Klasse.
In der Regressionsanalyse zeigte sich, dass im Kindergartenalter mit Hilfe der BSEDS-Subtests Silbendeletation, Textverständnis, Buchstabenwissen und Leseproblemen in der Familiengeschichte 25 Prozent der Varianz der späteren Lesefertigkeit erklärten.
Insgesamt konnten Costa et al. zeigen, dass die Lesefertigkeit mit einigen Frühindikatoren für Legasthenie korreliert. Die gefundenen Zusammenhänge waren in dieser Studie jedoch nicht sehr ausgeprägt.
Quelle: Costa, H.C., Perdry, H., Soria, C., Pulgar, S., Cusin, F. & Dellatolas, G. (2013). Emergent literacy skills, behavior problems and familial antecedents of reading difficulties: a follow-up study of reading achievement from kindergarten to fifth grade. Research in Developmental Disabilities, 34, 1018-1035.