Besonders herausfordernd für Therapeuten ist es, wenn Schüler eine deutliche Verhaltensproblematik zeigen, sodass die eigentlichen Übungen zum Verbessern des Lesens und Schreibens nicht durchgeführt werden können. Zu den problematischen Verhaltensweisen zählen Vermeidungsverhalten, oppositionelle Verhaltensstörungen und ADHS. Ein Buch, das sich dieser Thematik annimmt, ist das neue Buch von Manfred Döpfner und Elena von Wirth und hat den Titel „ADHS in der Lerntherapie. Ein verhaltenstherapeutischer Praxisleitfaden“.
Manfred Döpfner ist Professor für Psychotherapie in der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie Autor unzähliger Fachpublikationen zum Thema ADHS, auch von dem bekannten Therapieprogramm THOP, das sich an Eltern von Kindern mit ADHS richtet. Elena von Wirth ist Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin und arbeitet am Ausbildungsinstitut für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie in Köln.
Das 211 Seiten starke Buch ist im Hogrefe Verlag erschienen und richtet sich an Lerntherapeuten, die Unterstützung im Umgang mit ihren Klienten suchen, die eine ADHS-Symptomatik aufweisen.
Das Buch ist in fünf Kapitel unterteilt, von denen sich zwei Kapitel eher mit den theoretischen Grundlagen beschäftigen und sich drei Kapitel dem therapeutischen Bereich widmen.
Die ersten 26 Seiten des ersten Kapitels stellen die Symptomatik, Diagnostik und die allgemeinen Behandlungsmöglichkeiten vor. Leserinnen und Leser, die sich in diesem Bereich ausreichend gut auskennen, werden hier nicht viel Neues finden.
Das zweite Kapitel ist mit „Der verhaltenstherapeutische Ansatz überschrieben“. Hier werden die therapeutischen Grundlagen und Konzepte dargestellt, auf denen in den Folgekapiteln dann die einzelnen therapeutischen Interventionen aufbauen. In einem ersten Schritt wird gemeinsam mit dem Leser das Problemverhalten bestimmt und dann darauf basierend das Zielverhalten festgelegt. Im Anschluss wird beschrieben, wie eine Verhaltensanalyse durchgeführt wird. Hier geht es darum, die Bedingungen und Auslöser für das Problemverhalten zu beschreiben. Dabei werden hier drei bestimmende Faktoren herausgearbeitet: Die Rahmenbedingungen, die individuellen Voraussetzungen des Kindes und das Verhalten des Lerntherapeuten.
Im Anschluss gehen von Wirth und Döpfner noch auf das Teufelskreismodell ein, das erklären soll, wie Interaktionsmuster (z.B. zwischen Kind und Mutter) das problematische (oppositionelle) Verhalten aufrechterhält.
Recht hilfreich für die Interventionsplanung ist auch eine sehr ausführliche Tabelle, in der einzelne therapeutische Maßnahmen den verschiedenen Problemverhaltensweisen zugeordnet werden.
Das dritte Kapitel ist der Beginn, wo einzelne Therapieinterventionen beschrieben werden. Es trägt die Überschrift „Rahmenbedingungen“ und beschreibt sehr detailliert, wie sich der Therapeut verhalten muss, damit ein guter Beziehungsaufbau zum Klienten gelingen kann. Weiterhin wird in diesem Kapitel besprochen, wie ein guter und reizarmer Arbeitsplatz gestaltet werden muss. Im Anschluss wird Sinn und Zweck eines festen Ablaufs für Kinder mit ADHS erläutert und erklärt, wie dieser umgesetzt werden kann bzw. sollte. Maßnahmen, die in diesem Ablauf realisiert werden, sind zum Beispiel Entspannungsübungen, das Thema Bewegungspausen, Arbeitsphase und Spielzeit.
Einen großen Bereich nimmt das vierte Kapitel ein, das mit „Spezifische Interventionen“ überschrieben ist. Hier wird beispielweise sehr genau dargestellt, wie Regeln formuliert und eingeführt werden und wie der Therapeut Aufforderungen formulieren muss, damit sie vom Schüler auch umgesetzt werden. Im Wesentlichen decken sich diese Inhalte, mit den Therapiebausteinen, die auch im THOP beschrieben werden. Sehr ausführlich wird das Instrument Punkteplan vorgestellt.
Auch der Bereich der negativen Konsequenzen wird ausführlich beschrieben. Hierunter fallen zum Beispiel Wiedergutmachung des Schadens, Auszeit oder Verstärkerentzug. Recht sinnvoll erscheint die Maßnahme „Wettkampf um lachende Gesichter“. Bei diesem Verstärker-Entzug-System wird dem Kind immer dann ein Token weggenommen, wenn es das Problemverhalten zeigt. Das Kind ist hier bemüht, die Token für sich zu behalten und versucht entsprechend das Problemverhalten zu verringern.
Weiterhin werden in diesem Kapitel noch Selbstinstruktionsmaßnahmen (Selbstinstruktionstraining) beschrieben. Techniken, die hier vermittelt werden, sind das Laute Denken, Signalkarten und Wenn-Dann-Karten. Ziel ist es, dass das Kind planvoll und strukturiert arbeitet.
Das letzte Kapitel beschäftigt sich mit der Elternarbeit. Von Wirth und Döpfner beschreiben hier, wie man Elterngespräche plant und auch wie man problematische Verhaltensweisen bei Eltern anspricht. Für junge Therapeuten sicherlich hilfreich. Im Anschluss wird erläutert, wie Eltern ihren Kindern bei den Hausaufgaben sinnvoll helfen können. Es werden also die Inhalte dargestellt, die der Therapeut in Elterngesprächen den Eltern vermitteln kann. Ebenfalls ein sehr hilfreiches Kapitel.
„ADHS und Lerntherapie“ von Elena von Wirth und Manfred Döpfner beschreibt zahlreiche verhaltenstherapeutische Interventionen, die in schwierigen Therapiesituationen eingesetzt werden können. Dabei können diese nicht nur bei Kindern mit ADHS verwendet werden, sondern bei allen Klienten, die ein Vermeidungsverhalten aufweisen. Die Maßnahmen werden alle sehr detailliert beschrieben und auf Probleme bei der Umsetzung wird eingegangen. Insgesamt ein sehr hilfreiches Buch für die LRS- und Dyskalkulietherapie.
Preis und Verfügbarkeit bei Amazon
Elena von Wirth & Manfred Döpfner (2023). ADHS in der Lerntherapie. Göttingen: Hogrefe Verlag.
ISBN-13: 978-3-8017-3111-3