Rezension: Schulbasierte Förderung der phonologischen Bewusstheit und sprachlicher Kompetenze

Das Würzburger Trainingsprogramm von Petra Küspert und Wolfgang Schneider von der Universität Würzburg ist sicherlich das bekannteste LRS-Präventionsprogramm. Es wurde für Kindergartenkinder konzipiert und führt Übungen zur Verbesserung der phonologischen Bewusstheit durch. Unter der phonologischen Bewusstheit bezeichnet man die Einsicht in die lautliche Struktur der Sprache und verschiedene damit zusammenhängende sprachbezogene Fertigkeiten wie den Anfangslaut eines Wortes oder Reimwörter zu erkennen und Wörter in Silben zu zerlegen.

Von der Bremer Forschungsgruppe rund um Prof. Petermann liegt nun ein weiteres Trainingsprogramm vor, das eine recht ähnliche Zielsetzung aufweist. Es handelt sich um das soge-nannte LOBO-Schulprogramm mit dem genauen Titel “Schulbasierte Förderung der phonologischen Bewusstheit und sprachlicher Kompetenzen”. Es wurde für Schulanfänger konzipiert und soll im Rahmen des Schulunterrichts durchgeführt werden. Die Autoren des LOBO-Schulprogramms sind Dorothee Metz, Linda Paulina Fröhlich und Franz Petermann. Von den selben Autoren wurde ebenfalls ein Trainingsprogramm für das Vorschulalter konzipiert, nämlich das LOBO-Kindergartenprogramm mit derselben Zielsetzung wie das LO-BO-Schulprogramm, nämlich der Förderung der phonologischen Bewusstheit und der sprachlichen Kompetenz bei Kindern im Vorschulalter.

Das LOBO-Schulprogramm besteht aus 24 Einheiten, wobei eine Einheit 45 Minuten dauert und zwei Einheiten pro Woche durchgeführt werden sollen. So dauert das Programm bei regel-mäßiger Durchführung 12 Schulwochen. Der inhaltlich rote Faden des Trainingsprogramms ist der kleine Drache LOBO, der vom Planeten Globo stammt und nun gemeinsam mit den Schülern ein Training durchführen will, um lesen und schreiben zu lernen. LOBO ist in Form einer – zu erwerbenden.- Handpuppe in der Klasse präsent. Alle Geschichten des Trainingsprogramms haben die Abenteuer von LOBO zum Inhalt. Weiterhin kommuniziert LOBO im Rahmen des Programms sehr viel mit den Kindern. Die entsprechenden Dialoge sind im Handbuch natürlich abgedruckt. LOBO ist ein netter kleiner Kerl, den Schüler der ersten Klasse sicherlich sympathisch finden werden und auch Erwachsene als Sympathieträger akzeptieren können.

Wie oben schon genannt liegen die Ziele des Trainings in der Verbesserung der phonologischen Bewusstheit, jedoch auch im Erlernen einiger Buchstaben bzw. der Einsicht in spezifischer Laut-Buchstabenbeziehung und der Erarbeitung eines Textverständnisses. Mit Hilfe des Lobo-Schulprogramms soll einer Legasthenie bzw. Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten vorgebeugt und allen Schulkindern der Einstieg in das Lesen und Schreiben erleichtert werden.

Von den Buchstaben werden neben den Selbstlauten das M,L,F,R,S,T,K und B behandelt. Die entsprechenden Übungen sehen so aus, dass das Buchstabenbild eingeführt wird und in der Folge dieser Buchstabe (z.B. A) in den Übungen zur phono-logischen Bewusstheit weiter verwendet wird (“In welchem dieser abgebildeten Objekte kommt ein A vor?”). In den Übungen zum Textverständnis werden verhältnismäßig lange Geschichten mit Lobo (z.B. Lobo besucht einen anderen Drachen) vorgelesen und schließlich mehrere spezifische Fragen zum Inhalt gestellt, in denen einzelne Details abgefragt werden. Zu den Übungen zur phonologischen Bewusstheit gehört die Lautanalyse (z.B. “Fängt dieses Wort mit einem A an?” oder “Befindet sich bei den folgenden Wörtern das A am Anfang in der Mitte oder am Ende?”), die Lautsynthese (“Um welches Wort handelt es sich hier sch-e-r-e?”), Reimübungen und Silbensegmentieren (“Spreche das Wort in Silben?”). Die Übungen sind trotz Wiederholungen abwechslungsreich konzipiert und werden in Stillarbeit mit Hilfe eines Arbeitsblattes, als Wettkampf oder gemeinsam in der Klasse gelöst.

Jede Trainingseinheit wird in einem eigenen Kapitel gut beschrieben. Diese beginnt jeweils mit einer tabellarischen Übersicht, in der die Ziele der Stunde kurz benannt werden, die durchzuführenden Übungen aufgezählt und auf das notwendige Material hingewiesen wird. Die Übungen werden dann ausführlich beschrieben. Die von LOBO und dem Klassenleiter gesprochenen Ausführungen stehen wortgenau zur Verfügung. Arbeitsblätter und Bilderkarten – soweit notwendig – befinden sich auf der beiliegenden CD-ROM. Hier finden sich ein Informationsbrief an die Eltern, sowie Fragebögen für Eltern, Lehrer und Kinder zur Evaluierung der Maßnahme. Insgesamt muss aber eher wenig ausgedruckt werden, da viele Übungen mündlich durchgeführt werden. Die Orientierung innerhalb des Programms ist einfach und die Vorbereitung für die einzelnen Stunden sind eher als gering anzusehen.

Metz et al. haben auch eine Studie durchgeführt, in der sie die Effektivität des LOBO-Schulprogramms an 110 Schulanfängern überprüften, die in eine Experimentalgruppe und eine Kontrollgruppe aufgeteilt wurden. Um mögliche Fortschritte festzustellen, wurde zu Beginn und zum Ende des Trainings der Test für phonologische Bewusstheitsfähigkeiten (TPB) von Fricke und Schäfer durchgeführt. Für die Trainingsteilnehmer konnten statistisch signifikante Fortschritte durch das Training in den Bereichen “Silben segmentieren”, “Reime identifizieren”, lautierte Worte zeigen” und “lautierte Worte benennen” festgestellt werden. Weiterhin zeigten deutlich weniger Kinder der Fördergruppe nach Abschluss des Trainings im TPB ein Risikoprofil.

Das LOBO-Schulprogramm orientiert sich an der aktuellen wissenschaftlichen Forschung und integriert neben dem Schwerpunkt der Übungen zur phonologischen Bewusstheit auch Übungen zum Buchstabenwissen und zum Leseverständnis (Stichwort literacy). Dabei sind alle Übungen gut gestaltet und die Handhabung für den Durchführenden fällt leicht. Positiv hervorzuheben sind die zahlreichen, qualitativ guten Übungen. Für den Klassenverband, die eigentliche Zielgruppe also ein gelungenes Programm. Aber auch LRS-Therapeuten können das Programm in der Einzeltherapie verwenden, indem einzelne Übungen, z.B. die zur phonologischen Bewusstheit herausgegriffen und isoliert bearbeitet werden. Die Lobo-Dialoge können leicht gekürzt werden, sodass die Inhalte einer Trainingsstunde deutlich schneller als innerhalb von 45 Minuten durchgeführt werden können.

Insgesamt ein gutes Trainings- und Präventionsprogramm für LRS-Risikokinder und Kinder mit Legasthenie im Klassenverband, das aber auch in der Einzeltherapie eingesetzt werden kann.

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D. Metz, L.P. Fröhlich & F. Petermann (2010). Schulbasierte Förderung der phonologischen Bewusstheit und sprachlicher Kompetenzen. Das Lobo-Schulprogramm. Göttingen: Hogrefe Verlag. ISBN-13: 978- 3-8017-2219-7.