Umfangreiches Fachbuch zum Thema Lernstörungen

Ein Klassiker aus den USA zum Thema Lernstörungen ist nun auch im deutschsprachigen Sprachraum als deutsche Ausgabe erhältlich, nämlich das Buch „Lernstörungen verstehen“ von Bernice Y. L. Wong, welches mittlerweile in der dritten Auflage vorliegt. Herausgeber der deutschen Ausgabe ist Prof. Gerhard Büttner, Forschungsdirektor des Zentrums für Lehrerbildung und Schul- und Unterrichtsforschung an der Universität Frankfurt. Erschienen ist das 492 Seiten starke Buch mit seinen 13 Kapiteln im Springer Verlag.

Das Buch von Wong behandelt differenziert die Ätiologie, Symptomatik und Therapie der Lernstörungen Legasthenie und Dyskalkulie, wobei die Legasthenie (und insbesondere Lesestörungen) einen deutlichen größeren Raum einnimmt. Einige Kapitel der amerikanischen Ausgabe fehlen in der deutschen Ausgabe, nämlich diejenigen, die sehr stark auf das amerikanische Bildungssystem Bezug nehmen.

Nach diversen Vorwörtern und Danksagungen beginnt das Buch mit einem differenzierten historischen Überblick über das Konzept der Lernstörungen und ersten frühen Forschungsergebnissen zu diesem Thema. Im Anschluss folgen zwei Kapitel über Gedächtnisfunktionen und Sprachprozesse insbesondere bei Lesestörungen. Hervorzuheben in diesem ersten Teil des Buches ist das Kapitel „Das lesende Gehirn bei Kindern und Jugendlichen: Ein systemischer Ansatz“ von Virginia W.  Berninger, die sehr gut verständlich, mit zahlreichen Abbildungen unterstützt, auf knapp 50 Seiten grundlegende und aktuelle Studien zu neurologischen Faktoren bei Lesestörungen darstellt.

Der zweite Teil des Buches ist mit „Aspekte der Instruktion bei Lernstörungen“ überschrieben und setzt sich im weitesten Sinne mit therapeutischen Maßnahmen auseinander. Neben einem Kapitel über Leseverständnisprobleme findet sich hier auch ein Kapitel über das Verfassen von qualitativ besseren Texten bei Kindern mit Legasthenie (Stichwort Aufsätze), das in der deutschen Fachliteratur Seltenheitswert besitzt. Im nächsten Kapitel wird kurz auf Therapieansätze bei Dyskalkulie eingegangen. Weitere Kapitel beschäftigen sich mit der Verbesserung von sozial kompetentem Verhalten und effektiven Unterrichtspraktiken bei Kindern mit Lernstörungen.

Obwohl die einzelnen Kapitel von verschiedenen Autoren stammen, wirkt dieses Buch in seiner Sprache außerordentlich homogen und insgesamt sehr verständlich. Kennzeichnend ist weiterhin die klare empirische Ausrichtung und damit die Bezugnahme auf aktuelle Studien. Dabei wird der Leser in die eigentliche Problematik der Fragestellungen und die jeweilige aktuelle Diskussion sehr gut eingeführt. Interessant ist natürlich auch der Blick über den großen Teich, über die zentralen Forschungsthemen und Fragestellungen in den USA. Was leider fehlt, ist eine dezidierte Darstellung der therapeutischen Interventionen (Beschreibung der Trainingsprogramme, Therapieansätze und exakte Durchführung der Diagnostik). Hier muss auf andere Literatur zurückgegriffen werden. Ansonsten findet sich in dem Buch von Wong ein breites Spektrum an wichtigen Beiträgen zu den Themen Legasthenie und Dyskalkulie. Hervorzuheben sind die Darstellung von Berninger über die neurologischen Studienergebnisse und einzelne Kapitel über psychische und psychosoziale Aspekte bei Lernstörungen.

Bei dem Buch „Lernstörungen verstehen“ handelt es sich um eine wichtige Veröffentlichung zu den Themen Legasthenie und Dyskalkulie für den deutschsprachigen Raum. Es eignet sich für etwas erfahrenere Therapeuten, die hier zahlreiche Fragen, die die Praxis aufwirft, diskutiert sehen und zahlreiche Anregungen finden, wie die eigene Therapie weiter entwickelt werden kann. Insgesamt eine gelungene Veröffentlichung, der eine weite Verbreitung zu wünschen ist.

Preis und Verfügbarkeit bei Amazon

Bernice Y. L. Wong (2008). Lernstörungen verstehen. Berlin: Springer Verlag
ISBN-13: 978-3-8274-1817-3