Neue Leitlinien zur Diagnostik und Behandlung der Legasthenie

Mitte Mai sind die Leitlinien zur Diagnostik und Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Lese- und / oder Rechtschreibstörung erschienen. Sie sollen Fachleuten im Bereich Therapie und Förderung, Diagnostikern und Eltern über empfohlene Vorgehensweisen in der Förderung und Diagnostik informieren. Bei der Erstellung maßgeblich beteiligt waren Prof. Gerd Schulte-Körne und Dr. Katharina Galuschka.

Die Leitlinien bzw. Empfehlungen basieren auf einem zweistufigen Vorgehen. Zuerst wurden relevante Fragen zur Diagnostik und Therapie formuliert (z.B. Sollte man in der LRS-Therapie ein Training zur auditiven Verarbeitung durchführen?) und diese dann mithilfe der Fachliteratur beantwort. Hierfür wurden entsprechende Studien in den wissenschaftlichen Datenbanken gesucht und diese inhaltlich ausgewertet. Darauf basierend wurde dann der Evidenzgrad bestimmt (S. 23).

In einem zweiten Schritt wurden Fachleute aus den verschiedensten Gesellschaften befragt (Konsensuskonferenz). Der Grad der Übereinstimmung wurde dann neben dem Evidenzgrad unter jeder relevanten Frage angegeben. Beteiligt an den Leitlinien waren u.a. der Fachverband für integrative Lerntherapie (FIL), der Deutsche Verband der Ergotherapeuten und der BKJPP.

Zur Anwendung des IQ-Diskrepanzkriteriums zur Diagnostik wurde beispielsweise formuliert: „Zur Diagnostik der Lese- und / oder Rechtschreibstörung soll auf das Kriterium der Alters- oder Klassennormdiskrepanz oder auf das Kriterium der IQ-Diskrepanz zu-rückgegriffen werden“. Was die Leitlinien dann zu dieser Fragestellung sagen, steht darunter. So hat bezüglich dieser Fragestellung die Literaturrecherche eine starke Empfehlung gegeben. In der Konsensuskonferenz gab es jedoch nur eine Zustimmung von 59 Prozent. Die Ergebnisse werden dann im Text noch inhaltlich erläutert.

Hinweisen sollte man noch auf die Diskussion zu den Kriterien der LRS auf der Seite 6.  So reicht nach den Leitlinien nun auch eine Diskrepanz der Rechtschreibleistungen zum Durchschnitt in Höhe von 1 Standardabweichung.

Weiterhin darf die Diagnose auch angewendet werden, falls beim Kind im Rahmen der Diagnostik durch kompensatorische Maßnahmen auf Seiten des Kindes (überdurchschnittliche Intelligenz, übermäßige Anstrengung) noch Testwerte im unteren Normbereich erreicht werden, bei höheren Anforderungen jedoch deutlich schlechtere Leistungen zu erwarten sind (z.B. Zusammenbruch der Kompensationsbemühungen bei höheren Leistungen).

Insgesamt ist die Veröffentlichung der Leitlinien zu begrüßen. Sie stellen einen großen Konsens der an der Therapie und Diagnostik beteiligten Professionen dar und bieten für den einzelnen Therapeuten eine gute Orientierung. Weiterhin wurden neuere Entwicklungen in der Therapie und Diagnostik berücksichtigt.

Leitlinien (PDF-Format, Langfassung)