Kinder mit Legasthenie weisen aufgrund ihrer deutlichen Probleme beim Erlernen des Lesens und Schreibens eine er-höhte psychologische Belastung auf, die zu einem geringeren Selbstwert und erhöhten Angstwerten führen können.
Stephanie L. Haft und Kollegen von der Stanford Universität in der Nähe von San Francisco untersuchten die Angstwerte von Kindern mit Lernstörungen und interessierten sich insbe-sondere, was genau die Angst auslöst. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in der Zeitschrift Journal of Abnormal Child Psychology.
An der Studie nahmen 48 Kinder mit Lernstörungen im Alter zwischen 9 und 16 Jahren teil. Von den 48 Kindern mit Lern-störungen wiesen 87,5 Prozent eine Legasthenie und 12,5 % eine Dyskalkulie auf.
Haft et al. führten ein sogenanntes „Dot-Probe“-Experiment durch. Hierbei wurden auf einem Bildschirm jeweils verschie-dene Wörter unterschiedlichen Inhalts präsentiert. Neben neutralen Wörtern kamen auch Wörter zum Thema Lesen (z.B. Leseprobe), Vorurteile, die häufig gegenüber Kindern mit Le-gasthenie bestehen (z.B. dumm) und Wörter mit einem be-drohlichen Inhalt vor. Nach der kurzen Präsentation des Wor-tes erschien auf dem Bildschirm ein Pfeil, der nach rechts oder links wies. Der Proband hatte dann die Aufgabe, die entsprechende Taste auf der Tastatur zu betätigen. Entsprechend dem „Dot-Probe“-Ansatz erwarteten die Forscher nun, dass bei den Themen, die für den Probanden emotional relevant waren, es zu längeren Reaktionszeiten bei der Betätigung der Pfeiltasten kommt.
Haft et al. führten zu Beginn einen Lesetest, einen Wortschatztest und einen Angsttest für Kinder und Jugendliche durch. Bei der Auswertung zeigten sich im Lesetest im Vergleich zu einer ebenfalls gebildeten Kontrollgruppe deutlich geringere Lesewerte und höhere Angstwerte. Diese beiden Unterschiede wurden statistisch signifikant. Hinsichtlich des Wortschatzes zeigte sich kein statistisch signifikanter Unter-schied.
Bei der „Dot-Probe“-Untersuchung zeigten sich bei den Kin-dern mit Legasthenie nur bei den Begriffen, die mit dem Lesen zusammenhingen, höhere Reaktionszeiten. Der Unterschied wurde statistisch signifikant. Die Effektstärke des Unterschiedes betrug 0,56. Bei den Vorurteilen und bei den bedrohlichen Inhalten zeigten sich keine Gruppenunterschiede.
Haft et al. konnten in einer Studie zeigen, dass sich die erhöhten Angstwerte bei Kindern mit Legasthenie inhaltlich auf die Leseproblematik beziehen.
Haft, S.L, Duong, P.H., Ho, T.C., Hendren, R.L. & Hoeft, F. (2019). Anxiety and attentional bias in children specific learning dis-orders. Journal of Abnormal Child Psychology, 47, 487-497.