Geringere Gehirnaktivität bei der visuellen Verarbeitung von Wörtern

Im linken Gyrus fusiformis, gibt es einen Bereich, der für die visuelle Verarbeitung von gelesenen Wörtern zuständig ist und in der englischen Fachliteratur als visual word form area, kurz VWFA, bezeichnet wird. Die Aktivität in der VWFA zeigt sich im EEG in einer erhöhten Aktivität der N170 Komponente zwischen 150 ms und 250 ms. Dabei scheint die N170 Amplitude spezifisch auf die Verarbeitung von Wörtern bezogen zu sein. In Studien war der Ausschlag im EEG bei guten Lesern bei Wörtern höher, als bei der Präsentation von Symbolen.

Studien konnten auch zeigen, dass die N170 Komponente im EEG bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit einer LRS während des Lesens erniedrigt war. Während sich die N170 Komponente bei Schülern ohne Probleme im Lesen vom Kindergarten zur zweiten Klasse bis hin zur fünften Klasse und zum Erwachsenenalter immer stärker ausprägte, war die Entwicklung bei Kindern mit einer LRS verzögert und erreichte auch im Erwachsenenalter nicht das Ausmaß wie bei Personen ohne LRS.

Die französische Wissenschaftlerin Gwendoline Mahé hat nun erneut untersucht, ob sich bei Erwachsenen mit einer Legasthenie bei der Verarbeitung verschiedener visueller Reize Auffälligkeiten in der N170 Komponente zeigen. Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift Neuropsychologia veröffentlicht.

Die Aufgabe für die Probanden bestand darin, zu beurteilen, ob es sich bei einem am Bildschirm für 500 ms präsentierten Reiz um ein Wort handelt oder nicht. Den Probanden wurden in diesem Rahmen Konsonantenhäufungen, Pseudowörter, besonders häufig vorkommende Wörter und selten vorkommende Wörter gezeigt. Die Reaktionszeit und die Fehlerrate wurden registriert. Um die Gehirnaktivität in der VWFA zu messen, wurde weiterhin ein EEG abgeleitet. An der Studie nahmen 14 Erwachsene (Durchschnittsalter 26,9) mit Legasthenie und 17 Kontrollpersonen derselben Altersgruppe teil.

Es zeigte sich, dass die Probanden mit einer Legasthenie bezüglich aller Worttypen längere Reaktionszeiten aufwiesen als die Teilnehmer der Kontrollgruppe. Eine erhöhte Fehlerrate (falsche Beurteilung des Wortstimulus) konnte nur hinsichtlich der Pseudowörter registriert werden.

Im EEG zeigte sich bei den Kontrollprobanden in der linken Hemisphäre, dass die Höhe der Amplitude der N170 Komponente von der Art des Stimulus (z.B. echtes Wort, Pseudowort) abhing, während sich diese Unterschiede bei den Probanden mit einer LRS nicht zeigten. Dabei war in der Kontrollgruppe die Amplitude bei den Stimuli, die wortähnlich waren höher als bei den Wörtern, die nur aus Konsonantenhäufungen bestanden. Der Unterschied zwischen den beiden Probandengruppen war dabei statistisch signifikant.

Mahé et al. konnten in ihrer Studie bestätigen, dass Erwachsene mit einer Legasthenie während des Lesens verschiedener Worttypen keine individuelle Reaktion in der N170 Amplitude im VWFA aufweisen.

Quelle:
Mahé, G., Bonnefond, A., Gavens, N., Dufour, A. & Doignon-Camus. (2013). Impaired visual expertise for print in French adults with dyslexia as shown by N170 tuning. Neuropsychologia, 50, 3200-3206.

Dieser Beitrag über die die Studie von Mahé et al. erschien in der Ausgabe 2/2013 des Journals für Legasthenietherapie.