Verwechslungen zwischen d und b bei LRS nur unwesentlich häufiger

Ein recht auffälliger Fehlertyp im Rahmen der Fehleranalyse sind Vertauschungen optisch ähnlicher Buchstaben wie das d mit dem b und das p mit dem q oder das w mit dem m. Diese Vertauschungen bzw. Verwechslungen wurden früher als spezifische Legastheniefehler bezeichnet, durch die man eine Legasthenie von einer allgemeinen schwachen Rechtschreibung unterscheiden könnte. Eine Vertreterin im deutschsprachigen Raum war hier insbesondere Lotte Schenk-Danzinger mit ihren zahlreichen Veröffentlichungen.

Als Ursache für diesen Fehlertyp wurden Orientierungsdefizite in der visuellen Verarbeitung von (linken und rechten) Reizen angesehen. Da jedoch auch Kinder ohne eine Legasthenie diesen Fehlertyp zeigten, rückte man in den folgenden Jahren von der Diagnostik spezifischer Legastheniefehler ab. Die gegenwärtige Annahme hinsichtlich der Fehler bei Legasthenie ist die, dass sich Personen mit Legasthenie von Personen ohne Legasthenie nur durch die Anzahl der Fehler unterscheiden und spezifische Fehlertypen für die Erstdiagnostik nicht notwendig sind.

Allison Brooks, Verginia Berniger und Robert Abott aus Washington untersuchten diesen d/b-Fehler bei Kindern mit Legasthenie erneut und interessierten sich dafür, ob dieser Fehlertyp bei Kindern mit Legasthenie häufiger vorkommt und ob bestimmte Defizite im Arbeitsgedächtnis dafür verantwortlich sind. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in der Zeitschrift Developmental Neuropsychology.

An der Studie nahmen insgesamt 182 Schüler teil. Davon wiesen 76 Schüler eine Legasthenie auf. Registriert wurden die Vertauschungen b-d, p-q, b-q und 9-6, die im Rahmen von mehreren Lese- und Rechtschreibtests erhoben wurden. Schüler mussten in sämtlichen Tests mindestens zwei Verwechslungen aufweisen, um als “Betroffener” bezeichnet zu werden.

Es zeigte sich, dass 77,6 Prozent der Schüler mit Legasthenie entsprechende Verwechslungen im Lesen und im Schreiben aufwiesen, wohingegen bei den Schülern ohne eine LRS 50 Prozent betroffen waren. Bei Schülern mit Legasthenie zeigen sich also die Verwechslungen zwischen d und b etwas häufiger. Brooks et al. vermuten für die Verwechslungen optisch ähnlicher Buchstaben temporäre Probleme in verschiedenen Bereichen des Arbeitsgedächtnisses. Verschiedene Funktionen des Arbeitsgedächtnisses wurden mit einzelnen Tests erhoben. Gefundene Auffälligkeiten interpretierten die amerikanischen Wissenschaftler als allgemeine Defizite im Arbeitsgedächtnis. Spezifische Problembereiche einzelner Komponenten kristallisierten sich nicht heraus.

Quelle:
Brooks, A.D., Berninger, V. & Abott, R. (2011). Letter naming and letter writing reversals in children with dyslexia: momentary inefficiency in the phonological and orthographic loops of working memory. Developmental Neuropsychology, 36, 847-868.