Mittelohrentzündungen gehen mit späteren Leseproblemen einher

Mittelohrentzündungen in der Kindheit tauchen gelegentlich in der LRS-Ratgeberliteratur als mögliche Ursache einer Legasthenie auf. Der Gedanke dahinter ist, dass sich die Flüssigkeit, die sich während einer Mittelohrentzündung im Mittelohr ansammelt und durch den entstehenden Hörverlust Probleme bei der Diskrimination von Lauten entstehen. Diese wiederum können dann zu Problemen bei der Sprachentwicklung führen. Da das Lesen und Schreiben Lernen durch Sprachprobleme negativ beeinflusst werden kann, ist ein entsprechender Zusammenhang zwischen Mittelohrentzündungen und einer LRS-Symptomatik denkbar.

Frühere Studien konnten einen entsprechenden Zusammenhang zeigen. Nun gibt es eine aktuelle Studie aus Ägypten von Azab et al., die den Einfluss von Mittelohrentzündungen auf die Lesefähigkeit von Schülern im Alter von 7 bis 10 Jahren untersuchten. Alle Schüler führten einen Intelligenztest und den Arabic Dyslexia Assessment Test durch, der aus fünf Teilkompo enten besteht. Ob bei den Schülern eine LRS vorlag, wurde jedoch nicht untersucht.

Kinder, die der Gruppe mit den Mittelohrentzündungen (MOE) zugeordnet wurden, mussten mindestens vier Erkrankungsepisoden in den ersten zwei Lebensjahren aufweisen. Kinder in der Kontrollgruppe durften höchstens einmal erkrankt sein. Jede Probandengruppe bestand aus 20 Schülern.

Interessanterweise wiesen alle Schüler der MOE-Gruppe in allen Bereichen des LRS-Tests schlechtere Werte auf. Alle Unterschiede wurden statistisch signifikant. So erzielten die Schüler der MOE-Gruppe beim schnellen Benennen einen Wert von 169, während die Schüler der Kontrollgruppe einen Wert von 225 erzielten. Der Wert setzt sich aus der Bearbeitungsdauer in Sekunden zusammen, wobei für jeden Fehler zusätzlich 5 Sekunden addiert wurden. Auch im Ein-Minuten-Wort-Lesetest wurde mit 3,22 gegenüber 5,20 ein deutlich schwächerer Wert erreicht. Der Testwert ergibt sich aus der Anzahl der gelesenen Wörter abzüglich der Lesefehler und Auslassungen. Im Lesen von Pseudowörtern konnten maximal 48 Punkte erreicht werden. Die Schüler, die mehrere Mittelohrentzündungen durchliefen, erreichten eine durchschnittliche Punktzahl von 22, während die Schüler der Kontrollgruppe einen Wert von 32 erreichten. Auch in einer Übung zur phonologischen Bewusstheit zeigte die Kinder der OME-Gruppe schlechtere Werte.

Hinsichtlich des IQ zeigten sich ebenfalls schlechtere Werte, die sogar auf einem 1-Prozent-Niveau statistisch signifikant wurden. Dies lag in erster Linie am verbalen IQ, in dem die Kontrollschüler durchschnittlich 126 erzielten und die Schüler der OME Gruppe 114. Auch das Arbeitsgedächtnis und der nonverbale IQ waren leicht schlechter. Hier wurden die Unterschiede jedoch nicht signifikant.

Die Studie zeigt, dass sich auf Basis von häufigen Episoden von Mittelohrentzündungen in der frühen Kindheit Aussagen über das spätere Lesen treffen lassen. Von daher ist es gerechtfertigt, auch in der Anamnese nach Mittelohrentzündungen zu fragen. Gleichzeitig sollte in diesem Zusammenhang auch nach Sprachentwicklungsproblemen gefragt werden, da diese mit Mittelohrentzündungen häufig gemeinsam auftreten.

Azab, S.N. & Rhman, S.S. (2014). Otitis media: is precursor of delayed reading in Arabic speaking children?. International Journal of Pediatric Otorhinolaryngolgy, 78, 670-673.