Corinna Christmann, Thomas Lachmann und Claudia Steinbrink sind Wissenschaftler von der Universität in Kaiserslautern, die eine gut konzipierte Studie durchführten, um herauszufinden, ob Defizite in der auditiven Verarbeitung bei Legasthenie sich nur auf Sprachreize beziehen oder auch auf andere auditive Reize. Ihr Ergebnisse veröffentlichten sie in der Zeitschrift Journal of Speech, Language and Hearing Research.
Das sogenannte phonologische Defizit mit seinen Problemen in den Bereichen der phonologischen Bewusstheit, der Benennungsgeschwindigkeit und dem phonologischen Kurzzeitgedächtnis wird auf Probleme bei der auditiven Verarbeitung zurückgeführt. Hier stellt sich dann die Frage, ob diese Probleme nur bei Sprachreizen auftreten oder von noch allgemeinerer Natur sind und auch bei nichtsprachlichen Reizen anzutreffen sind.
Um dies zu überprüfen, wurde eine Studie mit 21 Personen mit Legasthenie zwischen 14 und 25 Jahren durchgeführt. Weitere 21 Probanden in einer Kontrollgruppe wurden hinsichtlich des IQ, des Geschlechts und des Alters parallelisiert, sodass man bezüglich dieser drei Faktoren eine ähnliche Gruppenzusammenstellung erhielt.
Die Probanden hatten die Aufgabe, paarweise präsentierte auditive Reize danach zu bewerten, ob diese gleich oder ungleich waren. Bei den auditiven Reizen handelte es sich um die Vokale a und i, die jeweils als lang- und kurzgesprochene Version vorlagen. Diese auditiven Reize wurden entweder nur gering bearbeitet, sodass sie als klare Sprachreize zu erkennen waren, bzw. deutlich stärker bearbeitet oder verfremdet, sodass sie im Experiment als nichtsprachliche Signale fungierten. In einem Vorexperiment wurden die stark bearbeiteten Vokale von den Probanden auch als nichtsprachliche Reize bewertet.
Um nichtsprachliche Reize auf Basis der sprachlichen Reize zu erhalten, wurden das auditive Spektrum der Selbstlaute bei 2000 Hz gespiegelt bzw. die Formanten bearbeitet.
Durch eine kluge Kombination der verschiedenen auditiven Stimuli in der paarweisen Präsentation konnten die Wissenschaftler ermitteln, dass die Probanden mit Legasthenie bei den sprachlichen Reizen wie auch bei den nichtsprachlichen Reizen statistisch signifikant geringere auditive Verarbeitungsleistungen zeigten. Die Wissenschaftler folgern daraus, dass die Probleme in der auditiven Verarbeitung bei Personen mit Legasthenie auf ein allgemeines auditives Defizit zurückzuführen sind, sich also nicht nur auf die Verarbeitung sprachlicher Reize beschränken.
Daraus ergibt sich die Überlegung, therapeutische Maßnahmen in der auditiven Verarbeitung durchzuführen. Christmann et al. weisen jedoch darauf hin, dass bei einem alleinigen Training im Bereich der auditiven Verarbeitung aufgrund der Komplexität des Lesens und Schreibens wohl keine Fortschritte zu erwarten wären, man jedoch darüber nachdenken sollte, in einem integrierenden Ansatz auch diesen Bereich zu beachten.
Christmann, C.A., Lachmann, T. & Steinbrink, C. (2015). Evidence for a general auditory processing deficit in developmental dyslexia from a discrimination aradigm using speech versus nonspeech sounds matched in complexity. Journal of Speech, Language and Hearing Research, 58, 107-121.