Rezension: Auditive Wahrnehmung und phonologische Bewusstheit

Defizite in den phonologischen Fertigkeiten und den basaleren Funktionen der auditiven Verarbeitung gelten als wesentliche Ursachen einer Lese- Rechtschreibstörung. So kann es Sinn machen, neben Übungen, die am direkten Lese- und Rechtschreibprozess ansetzen (wie z.B. die Silbenteppiche des Kieler Leseaufbaus oder das synchrone Sprechschreiben) auch diejenigen Bereiche zu fördern, die als Ursache für die Probleme des Lesens und Schreibens angesehen werden. Anmerken muss man jedoch, dass der aktuelle Wissensstand in der Therapie davon ausgeht, dass man die größten Fortschritte dann erreicht, wenn man direkt am Lese- und Rechtschreibprozess ansetzt.

Zu dieser Thematik ist vor einigen Monaten ein Fördermaterial im Verlag an der Ruhr erschienen. Der Titel des Buches lautet “Auditive Wahrnehmung und phonologische Bewusstheit” und die Autorinnen sind Nicola Raschendorfer und Stefanie Schultze-Moderow.

Auf 119 Seiten finden sich hier zahlreiche Übungen zur auditiven Wahrnehmung und zur phonologischen Bewusstheit, die sehr oft spielerisch umgesetzt wurden. Notwendige Materialien finden sich hier als Kopiervorlage. Der Ablauf der einzelnen Übungen ist in der Regel auf einer Seite leicht verständlich erklärt. Weiterhin werden bei den einzelnen Übungen oft Varianten beschrieben.

Bei den Übungen zur auditiven Wahrnehmung finden sich insbesondere Übungen zur auditiven Aufmerksamkeit und zum auditiven Gedächtnis (auditive Merkfähigkeit). Bei der phonologischen Bewusstheit finden sich Reim- und Silbenübungen sowie Übungen, bei denen Anlaute, Endlaute bzw. Inlaute herausgehört bzw. manipuliert werden sollen.

Eine Übung zur auditiven Aufmerksamkeit ist z.B. „Schnappen“. Hier werden einzelne Geräusche von der Audio-CD, die dem Buch beiliegt, vorgespielt und das Kind soll so schnell wie möglich auf die entsprechende Bildkarte mit einer Fliegenklatsche schlagen (z.B. bei einem Summen auf die Bildkarte mit der Biene). Um die Bildkarten zu erhalten, muss die entsprechende Materialseite kopiert, ausgeschnitten und bei Bedarf laminiert werden. Eine weitere Übung, die die Konzentration im auditiven Bereich fördert, ist das Spiel „Welches Instrument fehlt“. Hier erhalten die Schüler ein Arbeitsblatt, bei dem in einer Reihe vier Instrumente abgebildet sind. Von der CD werden nun drei Instrumente präsentiert. Das vierte nicht vorgespielte Instrument soll nun vom Kind genannt werden.

Auch zum Bereich auditive Merkfähigkeit (auditives Gedächtnis) wurden ein paar Übungen zusammengestellt. In dem Buch wird beispielsweise das doch recht bekannte Spiel „Koffer packen“ beschrieben. Deutlich anspruchsvoller ist die Übung „Hier stimmt was nicht“, bei der den Kindern ein Satz vorgelesen wird (z.B. Der lange Junge macht eine freche Nase) und die Kinder die vertauschten Adjektive in die richtige Reihenfolge bringen sollen. Zur visuellen Unterstützung werden auf einer Kopiervorlage die beiden Bilder der Substantive den Schülern gezeigt (Junge und Nase).
Der Bereich phonologische Bewusstheit ist in die Übungsbereiche Reime, Silben und Lautidentifizierung unterteilt. Für die Kinder recht attraktiv ist das Spiel „Reim-Memory“. Hier finden sich Bilder von Wortpaaren, die sich reimen. Insgesamt handelt es sich um 16 Bildpaare.

Bei einer Übung aus dem Bereich Silben sollen die Schüler Wörter in Silben zerlegen (z.B. Tiger oder Wasserflasche). Die Wörter entnehmen die Schüler dabei den Abbildungen, die auf dem Tisch ausgebreitet werden. Weiterhin finden sich mehrere Übungen, bei denen die Schüler den Anfangslaut, den Inlaut bzw. den Endlaut bestimmen sollen.

Insgesamt haben sich die Autorinnen Raschendorfer und Schultze-Moderow zahlreiche Übungen ausgedacht, die die auditive Verarbeitung und die phonologische Bewusstheit verbessern sollen. Dabei sind einige Spiele recht aufwändig gestaltet, so z.B. die Spielkarten der Übung „Silbenbingo“ oder der Spielplan von „6 hat Pech“. Gut ist, dass die Durchführungsdauer in der Regel nur bei wenigen Minuten liegt.

Die beiden Übungsbereiche, zu denen beiden Autorinnen die Übungen konzipiert haben, sind recht interessant und decken zwei Bereiche ab, bei denen zahlreiche Kinder mit Legasthenie Probleme haben. Insbesondere von den Übungen zur phonologischen Bewusstheit sind bei Kindern, bei denen dieser Übungsbereich indiziert ist, Fortschritte zu erwarten. Interessant erscheinen ebenfalls die Übungen zur auditiven Merkfähigkeit.

Die Übungen lassen sich gut in der Praxis einsetzen und wirken im Vergleich zu ähnlichen Übungsbüchern durchdachter und so, als ob sie von den Autorinnen schon längere Zeit in der Praxis realisiert werden. Davon zeugen auch die beschriebenen Varianten der Übungen, die häufig den Schweregrad einer Übung erleichtern bzw. erhöhen. Insgesamt eine empfehlenswerte Veröffentlichung für Lerntherapeuten, die auf der Suche nach kompakten Übungen zur phonologischen Bewusstheit und auditiven Verarbeitung sind.

Preis und Verfügbarkeit bei Amazon

Stefanie Schultze-Moderow & Nicola Raschendorfer (2015). Fördermaterial: Auditive Wahrnehmung und phonologische Bewusstheit.
Mülheim an der Ruhr: Verlag an der Ruhr. ISBN-13: 978-3834629760