1. Gibt es einen spezifischen Legasthenietest?
Einen Test, der direkt die Legasthenie misst gibt es gegenwärtig noch nicht. Im Forschungsbereich wird wohl aktuell anhand von Bildgebungsverfahren versucht, eine Legasthenie genau zu diagnostizieren, doch spielen diese Verfahren in der Praxis keine Rolle.
Der Legasthenie Test besteht in der Praxis aus der Anwendung eines Rechtschreibtests, Lesetests und Intelligenztests. Zur weiteren Abklärung wird ein ausführliches diagnostisches Gespräch mit den Eltern geführt. Um auszuschließen, dass die Lese- und Rechtschreibproblematik ihre Ursachen in psychischen Faktoren (z.B. Schulangst) haben oder ausschließlich auf Aufmersamkeitsprobleme zurückzuführen sind, werden zusätzlich werden weitere Verfahren (z.B. projektive Tests) durchgeführt.
2. Welche Tests werden durchgeführt?
Erfassung der… | Testart | Testname |
Rechtschreibfähigkeit | normierter Rechtschreibtest | WRT, DRT, HSP |
Lesefähigkeit | normierter Lesetest | ZLT-II, SLRT-II |
Intelligenz | Intelligenztest | HAWIK, CFT, K-ABC |
psychische Befindlichkeit | klinischer Test | DTK, AFS, Tiere in Bildern |
Aufmerksamkeit, Konzentration | Konzentration | Konzentration, TAP, Anamnese, Vorgeschichte |
Der sogenannte Legasthenie Test ist also ein Vorgehen aus verschiedenen Verfahren, um am Ende dieser diagnostischen Phase eine Aussage treffen zu können, ob bei dem untersuchten Kind eine Legasthenie vorliegt oder nicht.
Hier noch einige kurze Anmerkungen zu den Tests:
- Der Rechtschreibtest wird durchgeführt, um wirklich festzustellen, ob eine sehr geringe Rechtschreibfähigkeit vorliegt. Dasselbe gilt für den Lesetest.
- Der Intelligenztest wird durchgeführt, um festzustellen, ob die schlechte Rechtschreibung beispielsweise auf eine erniedrigte Intelligenz zurückzuführen ist. Viel wichtiger ist jedoch die Information, wie groß der Unterschied zwischen der Leistungsfähigkeit in der Rechtschreibung und in der Intelligenz ist. Dafür werden beide Testergebnisse in T-Werte umgerechnet. Beispiel: Liegt beim Kind eine durchschnittliche Intelligenz vor (T-Wert: 50) und im Rechtschreibtest besteht ein T-Wert von 36 ergibt sich eine T-Wertdifferenz von 14. Für die Diagnose der Legasthenie muss mindestens ein T-Wertunterschied von 10 T-Wertpunkten bestehen.
- Die Tests zur Erfassung der „psychischen Befindlichkeit“ bringen die Information, inwieweit sich durch die Legasthenie schon eine psychische Folgesymptomatik abgezeichnet hat oder ob die schlechte Rechtschreibung auf eventuelle psychische Probleme zurückzuführen ist.
- Die Erfassung der Vorgeschichte wird im Rahmen der Anamnese (Gespräch mit den Eltern) durchgeführt und ist für den Diagnostiker von sehr großem Wert (z.B. Welche Therapien wurden mit welchem Erfolg schon durchgeführt? Gab es Auffälligkeiten in der Sprachentwicklung?) .
- Der Aufmerksamkeitstest gibt Aufschluss darüber, ob ADHS vorliegt.
3. Wer führt den Legasthenie Test durch?
Will man eine umfassende Diagnostik sollte man sich an einen Kinder- und Jugendpsychiater wenden. Dieser überprüft auch, ob allgemeine Entwicklungsprobleme, Auffälligkeiten in der Sprache, Schwierigkeiten im Bereich der Konzentration und psychische Schwierigkeiten (z.B. Prüfungsängste, depressive Verstimmungen) vorliegen. Auf dieser Basis können dann sinnvolle Therapie- bzw. Trainingsempfehlungen gegeben werden.
Der Rechtschreib- und Lesetest kann auch von Schulpsychologen durchgeführt werden. Eine umfassende Diagnostik kann jedoch nur der Kinder- und Jugendpsychiater durchführen. In jeder größeren Stadt gibt es Kinder- und Jugendpsychiatrische Praxen. Der Kinder- und Jugendpsychiater ist ein Mediziner, der sich auf psychische Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen spezialisiert hat. Unter seinem Aufgabenbereich fällt auch die Diagnosestellung der Legasthenie. Er stellt am Ende der Untersuchungen ein Attest aus, das bestätigt, dass das Kind eine Legasthenie aufweist. Hier steht jedoch nicht Legasthenie sondern der Fachbegriff Lese- und Rechtschreibstörung.
Um eine Befreiung von der Rechtschreib- und Lesenote in der Schule zu erhalten sollte man sich an den Schulpsychologen bzw. an den Klassenlehrer wenden und seinen Verdacht auf das Vorliegen einer LRS äußern.
Welche Schritte notwendig sind, um eine Notenbefreiung zu erhalten, unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland. In dem einen Bundesland wird eine Diagnose vom Kinder- und Jugendpsychiater gefordert, in einem anderen Bundesland führt die Diagnostik der Schulpsychologe durch.
Liegt beim Kind also eine Legasthenie vor, wird die Schule informiert und das Kind kann einen Nachteilsausgleich bzw. einen Notenschutz erhalten. So wird z.B. die Rechtschreibung nun nicht mehr gewertet (auch im Fach Englisch nicht). Ebenfalls können die Kinder bei Proben einen Zeitzuschlag erhalten. Wie der Nachteilsausgleich bzw. der Notenschutz umgesetzt wird, ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich.