Zwei-Wege-Modell

1. Zum Begriff des „Zwei-Wege-Modells“

Das Zwei-Wege-Modell (auch Zwei-Wege-Theorie oder engl. dual route model, double route model, dual route theory) beschreibt den Prozess des Lesens und dass es zwei Möglichkeiten gibt, einzelne Wörter zu lesen. Man unterscheidet bei diesem Modell nämlich zwischen dem sogenannten direkten Weg und dem indirekten Weg des Lesens.

Das Zwei-Wege-Model wurde von Max Coltheart entwickelt, der 1939 geboren wurde und nun ehrenamtlicher Professor an der School of Psychology der Universität in Queensland ist. Das Zwei-Wege-Modell wurde erstmals 1978 publiziert. Im Bereich der Legasthenieforschung können anhand dieser Theorie die Leseauffälligkeiten gut erklärt werden. Weiterhin lassen sich auf Basis dieses Modells Subgruppen bezüglich der Lesesymptomatik bestimmen.

 

2. Die beiden unterschiedlichen Wege des Lesens im Zwei-Wege-Modell

Das Lesen von Wörtern kann insgesamt auf zwei Wegen geschehen, nämlich auf dem direkten Weg oder dem indirekten Weg. Bei dem direkten Weg wird ein Wort als ganzes erfasst (als Wortbild) und im Gedächtnis der Eintrag mit der Aussprache des Wortes aktiviert und schließlich ausgesprochen. Beim indirekten Weg wird Buchstabe für Buchstabe gelesen und schließlich die einzelnen Laute zu einem Wort zusammengefügt. Im folgenden nun weitere Informationen zu diesen beiden Wegen Wörter des Lesens.

Der direkte Weg:

  1. Das gelesene Wort wird als „Wortbild“ dem orthografischen Lexikon präsentiert. Dieser Vorgang wird auch orthografische Kodierung genannt.
  2. Das erfasste Wortbild aktiviert dann im semantischen Lexikon einen Eintrag mit der Aussprache des Wortes
  3. Dieser direkte Weg kann nur verwendet werden, wenn die Wörter bekannt sind. Beim Lesen von Pseudowörtern ist die Verwendung des direkten Weges nicht möglich.
  4. Dieser Weg wird auch lexical route oder direct route genannt

Der indirekte Weg:

  • Hier wird Buchstabe für Buchstabe gelesen (phonologische rekodiert), d.h. die lautliche Form des gelesenen Wortes wird erarbeitet.
  • Dann wird das Wort dem phonologischen Eingangslexikon präsentiert.
  • Wird auch sublexical route, indirect route oder phonological route genannt.

 

3. LRS-Subtypen auf Basis der Theorie von Coltheart

Auf Basis des Modells von Coltheart lassen sich anhand des verwendeten Leseweges drei Subtypen einer LRS feststellen, nämlich die Oberflächenlegasthenie (surface dyslexia), die phonologische Legasthenie und eine Mischform.

  • Kinder mit einer Oberflächenlegasthenie haben Probleme mittels des direkten Weges Wörter zu lesen. Sie sind also nicht in der Lage, ein Wort schnell als Ganzes zu erfassen und auszusprechen. Kinder mit Oberflächenlegasthenie können jedoch gut mit Hilfe des indirekten Weges, also Buchstabe für Buchstabe lesen. Kinder mit einer Oberflächenlegasthenie erkennt man anhand schlechter Leistungen beim Lesen von irregulär ausgesprochenen Wörtern.
  • Von einer phonologischen Legasthenie spricht man, wenn sich Defizite beim indirekten Weg des Lesens zeigen. Die Kinder haben also Probleme beim buchstabenweisen Lesen von Wörtern. Diese Problematik wird besondere beim Lesen von Pseudowörtern deutlich.
  • Als dritten Subtyp geht man noch von einer sogenannten Mischform aus. Diese Kinder zeigen Probleme beim Lesen über den direkten wie auch über den indirekten Weg. Die Mischform ist auch der Subtyp auf den man am häufigsten trifft. Zwischen 50 und 80 Prozent der Kinder zeigen gleichzeitig Probleme beim Lesen von Pseudowörtern und auch beim schnellen Abruf von kleinen Wörtern aus dem orthografischen Lexikon.

4. Kritik

Von einigen Forschern wird die geringe Reliabilität der Subtypen kritisiert, die zu sehr vom Grad der Transparenz der Sprache abhängt. Weiterhin wird die Klassifikation zu den einzelnen Subtypen stark von den Merkmalen beeinflusst, die in den Tests erhoben werden.