Therapieprogramme bei ADHS

1. Überblick

Neben der medikamentösen Therapie gibt es zahlreiche ausgearbeitete Trainingsprogramme für die Behandlung von ADHS bei Kindern und Jugendlichen. Sie stammen in der Regel von Psychologen und lassen sich danach unterscheiden, ob sie sich an die Eltern der betroffenen Kinder oder direkt an die Kinder richten. Programme für Eltern wollen in der Regel über ADHS informieren und üben adäquates Erziehungsverhalten ein, um so zahlreiche Konfliktsituationen zu Hause zu entschärfen.

Therapieprogramme, die sich direkt an die Kinder richten, haben in der Regel das Ziel aufmerksames Verhalten zu fördern. Die Grenzen verschwimmen aber zusehends, da zahlreiche Programme für Kinder auch ein Elterntraining beinhalten. Zu den bekanntesten Programmen zählen, das THOP, das Training mit aufmerksamkeitsgestörten Kindern nach Lauth und Schlottke sowie das Attenioner.

2. Training mit aufmerksamkeitsgestörten Kindern

Das Training mit aufmerksamkeitsgestörten Kindern von Lauth und Schlottke (2009) besteht aus einem Basistraining und einem Strategietraining, die zusammen oder separat voneinander durchgeführt werden können.

Das Basistraining besteht aus insgesamt 13 Trainingseinheiten, welche die sogenannten Basisfertigkeiten (genaues Hinschauen und Zuhören sowie Wahrgenommenes möglichst exakt wiedergeben) trainieren. Diese Trainingsbausteine sind insbesondere für jüngere Kinder (erste bis vierte Klasse) geeignet, müssen jedoch nur von denjenigen bearbeitet werden, bei denen die Diagnostik in diesem Bereich Defizite festgestellt hat.

Im Rahmen der Trainingseinheiten werden Bildbeschreibungen durchgeführt, Geräusche identifiziert und Inhalte aus vorgelesenen Geschichten wiedergegeben. Weiterhin sollen die Kinder in weiteren Trainingseinheiten durch den Einsatz einer Stopp-Signal-Karte – die später durch verbale Selbstanweisungen ersetzt werden – lernen, Lösungen erneut zu überprüfen und sich dadurch einen weniger impulsiven Arbeitsstil aneignen.

Im Strategietraining sollen die Kinder lernen, sich zu Beginn einer Aufgabe die relevanten Ziele zu vergegenwärtigen, ihr Verhalten im voraus zu planen, durch die Anwendung von Selbstinstruktionen und der Anwendung allgemeiner Lösungsstrategien eine bessere Verhaltensperformance zu erzielen und durch den Einsatz von Selbstanweisungen mit Ablenkungen und Frustrationen besser umzugehen. Das Strategietraining ist für 8 bis 12-jährige Kinder geeignet und besteht aus insgesamt 12 Trainingseinheiten.

Weiterhin finden sich in dem Programm Therapiebausteine zu den Themen Elterninformationen über Aufmerksamkeitsstörungen, Interventionen zur Verbesserung der Eltern-Kind-Interaktion, eine Therapieeinheit zur Vermittlung sozialer Kompetenzen und Hinweise zur Zusammenarbeit mit Ärzten und Lehrern.

Fazit: Lauth und Schlottke stellen ein mittlerweile mehrmals überarbeitetes und evaluiertes Behandlungsprogramm für Kinder mit Defiziten beim genauen und planvollen Arbeiten zur Verfügung. Der Ablauf der einzelnen Tehrapiestunden wurde sehr genau ausgearbeitet und mit vielen wertvollen Handlungsanweisungen ergänzt, von denen insbesondere Berufseinsteiger profitieren werden. Alle notwendigen Materialien stehen im Behandlungsmanual zur Verfügung.

3. Therapieprogramm für Kiner mit hyperkinetischem und oppositionellem Problemverhalten (THOP)

Von Döpfner, Schürmann und Frölich gibt es seit 1997 ein umfassendes verhaltenstherapeutisches Interventionsprogramm, das eine Verringer der oppositionellen Symptomatik des Kindes durch eine Veränderung der Eltern-Kind-Interaktion zum Ziel hat. Die Bezeichnung THOP stellt die Abkürzung für „Therapieprogramm für Kinder mit hyperkinetischem und oppositionellem Problemverhalten“ dar und ist mittlerweile in der 4. Auflage erhältlich. Es beinhaltet zusätzlich eine CD, auf der die Materialien im PDF-Format vorhanden sind.

Es richtet sich in erster Linie an die Eltern, wobei die Therapie in Form von einzeltherapeutischen Sitzungen realisiert wird. Eine Realisierung als Gruppentraining wäre prinzipiell denkbar, jedoch machen die Autoren diesbezüglich keine Angaben. Im THOP finden sich weiterhin keine Übungen oder Maßnahmen zur Förderung von Konzentration und Aufmerksamkeit, die sich direkt an die Kinder richten. Hierin unterscheidet sich das Programm zum Training von Lauth und Schlottke.

Neben einem Theorieteil finden sich im Manual Fragebögen zur qualitativen und quantitativen Erfassung (inklusive Normen) der Symptomatik der Kinder und Ebenfalls Anamnesebögen für die Arbiet mit den Eltern. Im Anschluss an die Diagnostik wählt der Therapeut aus den vorhandenen Therapiebausteinen, die indizierten Interventionen aus.
Insgesamt besteht das THOP aus sieben Themenblöcken, die in der Praxis jedoch nicht alle durchgeführt werden.

  1. Der erste Themenblock wird in der Regel bei allen Therapien durchlaufen werden und umfasst die Problemdefinition, die Entwicklung des Störungskonzepts und die Behandlungsplanung.
  2. Themenblock zwei beinhaltet die Förderung positiver Eltern-Kind-Interaktionen durch die Etablierung von gemeinsamen positiven Erlebnissen mit ihren Kindern. Bei fast allen Therapien sollten mindestens Eltemente dieser Einheit realisiert werden.
  3. Der dritte Themenblock ist im Therapieprogramm von essentieller Bedeutung und umfasst die Interventionen zur Verminderung oppositioneller Verhaltensweisen. Hier lernden die Eltern Familienregeln aufzustellen, wirkungsvolle Aufforderung zu stellen, das Kind bei gewünschtem Verhalten zu belohnen und negative Konsequenzen bei Nichtbeachtung der Aufforderung durchzuführen. Bemerkenswert bei diesem Themenblock ist, dass weniger die positive und negative Verstärkung im Mittelpunkt steht, sondern dass sich durch klare Regelungen und adäquates Auffordern kritische Familieninteraktionen schon im Vorfeld verhindern lassen.
  4. Im Themenblock vier werden schließlich einige operante Methoden behandelt, die vom Therapeuten dann eingesetzt werden können, wenn die Maßnahmen aus Themenblock drei nicht ausreichen. Zu den operanten Methoden gehören Punkte-Pläne für erwünschtes Verhalten (Token-System), Verstärkerentzug wenn das Problemverhalten gezeigt wird und die Auszeit (time-out), die alle ausführlich erläutert werden.
  5. Der Themenblock fünf beinhaltet eine ausführliche Beschreibung eines Spieltrainings, das insbesondere bei Vorschulkindern eingesetzt werden kann, um die Beschäftigungsintensität und Ausdauer zu steigern. Weiterhin findet sich hier ein Selbstinstruktionstraining, das mit den Klienten einen planvollen und reflektierenden Arbeitsstil einübt. Abgeschlossen wird dieser Bereich durch den Therapiebaustein Selbstmanagement, in das Kind lernen soll, Verhaltensziele zu formulieren, sich bezüglich der Ziele selbst zu beobachten und zu bewerten und sich bei Erfolg selbst zu belohnen. Die weiteren Therapiebausteine haben die Bewältigung von kritischen Hausaufgabensituationen und das Erlernen adäquaten Verhaltens in der Öffentlichkeit zum Ziel.
  6. Die letzten beiden Themenblöcke thematisieren Maßnahmen für Eltern zur Stabilisierung der Therapiefortschritte und einen Informationsblock über Medikamente und Kinder.

Fazit: THOP ist ein umfassendes und effektives Programm zur Reduktion großer Bereich der ADHS-Symptomatik, indem es am Verhalten der Eltern ansetzt. Die beschriebenen Therapiebausteine lassen sich auch für andere Bereich der Kinder- und Jugendpsychotherapie verwenden. Neben dem THOP gibt es noch das Buch Wackelpeter und Trotzkopf, das versucht die Inhalte des THOP in Form eines Ratgebers für Eltern zugänglich zu machen.

4. ATTENTIONER – Training für Kinder mit Aufmerksamkeitsstörungen

Das ATTENTIONER Trainingsprogramm von Claus Jacobs und Prof. Franz Petermann liegt seit Anfang 2013 in der dritten Auflage vor. Ziel des ATTENTIONER ist es, die fokussierte und geteilte Aufmerksamkeit bei Kindern zwischen 7 und 14 Jahren zu verbessern. Unter der fokussierten Aufmerksamkeit versteht man das Ausblenden von irrelevanten Reizen.

Das Trainingsprogramm besteht aus 15 Sitzungen, die ca. eine Stunde dauern und in denen jeweils vier Aufgaben bearbeitet werden. Die Konzentrationsübungen haben jeweils eine Verbesserung der fokussierten und geteilten Aufmerksamkeit zum Ziel. An dem Gruppentrainingsprogramm können jeweils vier Kinder teilnehmen. Seit der zweiten Auflage besitzt das ATTENTIONER auch ein Elterntraining. Eine ausführliche Rezension des ATTENTIONER findet sich ebenfalls auf dieser Seite.

Fazit: Ökonomisches Therapieprogramm, das vom Anwender leicht durchzuführen ist. Studien weisen auf gute Ergebnisse hin.

5. Marburger Konzentrationstraining für Schulkinder

Das MKT wurde von Krowatschek, Albrecht und Krowatschek entwickelt und richtet sich an konzentrationsgestörte Kinder im Alter von 6 bis 12 Jahren. Das Trainingsprogramm ist insbesondere für Kinder mit einem impulsiven Arbeitsstil geeignet.Das „Konzentrationstrainings-Programm für Kinder“ besteht aus spezifischen Trainingsprogrammen für bestimmte Altersgruppen (Vorschulalter, 1. und 2. Schulklasse sowie 3. und 4. Schulklasse). Die Trainingsaufgaben werden detailliert aufgelistet und eine Durchführungsanleitung gegeben. Vereinzelt wurden auch empirische Studien zum Marburger Konzentrationstraining veröffentlicht.

Fazit: Leicht durchführbares Programm; ursprünglich für die Durchführung in Schulklassen entwickelt.