Die Magnozelluläre Theorie der Legasthenie

1. Zum Begriff „Magnozelluläre Theorie“

Die Magnozelluläre Theorie der Legasthenie (engl. magnocellular deficit theory) beschreibt Defizite des visuellen System, die das Lesen beeinträchtigen. Zahlreiche Studien konnten zeigen, dass die visuelle Verarbeitung bei Kindern und Erwachsenen mit Legasthenie eingeschränkt ist.

Unter dem Label Magnozelluläre Theorie versteht man in der Praxis nicht nur Defizite der magnozellulären Bahnen, sondern sämtliche Auffälligkeiten in der visuellen Verarbeitung bei Kindern mit Legasthenie.

2. Neuroanatomie des visuellen Systems

Das visuelle System besteht aus zwei großen Bahnen, nämlich aus den magnozellulären und den parvozellulären Bahnen. Diese projezieren zum Corpus geniculatum laterale (lateral geniculate nucleus, LGN) und dann weiter zum primären visuellen Cortex.
Die magnozellulären Bahnen sind verantwortlich für

  • den Kontrast
  • die schnelle zeitliche Verarbeitung
  • räumliche Informationen

Die parvozellulären Bahnen sind verantwortlich für die

  • Verarbeitung und Weiterleitung der eher langsameren zeitlichen Informationen
  • die räumlichen Frequenzinformationen
  • reagieren auch auf Farbe
  • haben eine höhere Reizschwelle für den Kontrast

Vom visuellen Cortex (z.B. auch verantwortlich für die visuell-räumliche Aufmerksamkeit) gehen dann die Informationen über die dorsalen Bahnen (engl. dorsal stream) zum Posterior Parietal Cortex oder über die ventralen Bahnen (engl. ventral stream) zum inferior temporal Cortex.

Dabei ist ist der dorsale Strom für die Bewegungserkennung und die Lokalisierung zuständig und der ventrale Strom ist in der Objekterkennung involviert.

3. Relevante Defizite bei Legasthenie

Allgemein wurden mehrere visuelle Defizite bei Kindern mit Legasthenie gefunden: So fand man eine eingeschränkte Kontrastsensitivität, geringere Leistungen bei Aufgaben zur visuell- räumlichen Aufmerksamkeit und fehlerhafte Blicksprünge beim Lesen.
Probleme bei der visuell-räumlichen Aufmerksamkeit können sich auf das Lesen auswirken, z.B. durch

  • eine schlechtere Ausblendung irrelevanter visueller Reize in der Perepherie
  • und Probleme die Aufmerksamkeit (beim Lesen) beizubehalten