Ätiologie der Legasthenie

Intensive Forschungsbemühungen in den letzten Jahrzehnten brachten einige interessante Ergebnisse zu den Ursachen der Legasthenie zu Tage. Eine alleinige Ursache konnte nicht identifiziert werden. Dies ist jedoch nicht verwunderlich ist, da der Leseprozess komplex ist und so zahlreiche Ansatzpunkte für dysfunktionale Prozesse bietet.

Hier einige Ergebnisse aus der Legasthenieforschung.

  • Die Legasthenie ist genetisch mitbedingt. Allgemein wird der Anteil der genetischen Faktoren bei der Legasthenie bei 30 bis 70 Prozent gesehen. Die Gene, die den größten Beitrag zur LRS-Symptomatik beitragen, sind die Gene KIAA0319 und DCDC 2.
  • Diese genetischen Faktoren können wiederum die Ursachen für gefundene Veränderungen in der Gehirnanatomie sein. So fand man beispielsweise Veränderungen in der grauen Substanz im Gyrus fusiformis.
  • Die Veränderungen in der Anatomie können wiederum die Ursachen für eine abweichenden Gehirnaktivität während des Lesens sein. Hier kommt es dann zu Unteraktivierungen der entsprechenden Gehirnareale, die beim Lesen beteiligt sind und zu kompensatorischen Aktivierungen von Bereichen, die man bei unauffälligen Lesern nicht registrieren kann.
  • Ein Bereich, der eng mit den Problemen beim Erlernen des Lesens assoziiert ist, ist die phonologische Bewusstheit. Kinder im Vorschulalter, die über eine geringe phonologische Bewusstheit verfügen weisen ein erhöhtes Risiko auf, im Grundschulalter eine Legasthenie zu entwickeln.
  • Eine weitere Ursache für Probleme im Lesen sieht man auch in einer geringen Benennungsgeschwindigkeit (rapid automized naming, RAN). Gemessen wird dieser Faktor über das möglichst schnelle Benennen von Ziffern und Farben. Es gilt als Maß, wie schnell „Wissen“ aus dem Gedächtnis abgerufen werden kann.
  • Auch das Arbeitsgedächtnis ist bei vielen Kindern mit Legasthenie reduziert. Schwierigkeiten bei der phonologischen Bewusstheit, der Benennungsgeschwindigkeit und dem Arbeitsgedächtnis bezeichnet man als das sogenannte phonologische Defizit der Legasthenie.
  • Auch in der visuellen Informationsverarbeitung zeigten sich bei Kindern mit Legasthenie Auffälligkeiten. Hierunter fallen auch dysfunktionale Blickbewegungen beim Lesen, die das Lesen erschweren. Visuelle Probleme der Legasthenie werden oft unter der magnozellulären Theorie der Legasthenie zusammengefasst.
  • Als weitere ursächliche Faktoren gelten ein geringer Wortschatz, Probleme bei der Aufmerksamkeit und Sprachstörungen in der Vorgeschichte.

Jeden Monat erscheinen in entsprechenden Fachzeitschriften 20 bis 30 Studien zu den Ursachen der Legasthenie, sodass man diesen Forschungsbereich als recht aktiv ansehen kann.